Hendrik M. Dietrich
5/5
Heute sind wir eher zufällig bei Landgasthof „Stadt Leipzig“ vorbeigefahren. Von außen ein eher unscheinbares Gebäude. Und Restaurant-Namen wie „Stadt Leipzig“ im besuchten Bad Brambach wirken auf mich immer wie aus der Zeit gefallen. Niemand würde heutzutage sein Restaurant in München „Stadt Nürnberg“ nennen. 😉
Immerhin standen zur besten Mittagszeit am Sonntag Fahrzeuge mit einheimischen Kennzeichen davor, das ist gewöhnlich ein gutes Zeichen. Nach einer Runde durch den Ort sind wir also in die „Stadt Leipzig“ (immerhin unser Studienort) zurückgekehrt und der erste Blick auf die außen angebrachte Karte zeigte: Hier finden wir zwei etwas!
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Das Angebot ist geprägt von heimischer, bodenständiger Küche und es fällt wirklich nicht leicht, sich für ein Gericht zu entscheiden. Nun will ich hier nicht alles davon verraten, zumal sich das ja auch ändern kann. Hinweisen möchte ich aber auf Hackepeter mit Eigelb auf Schwarzbrot (auf Wunsch mit Knoblauch), was heute gerade in Städten nahezu von den Karten verschwunden ist. Mit zwei Vegetariern zuhause (die heute allerdings nicht mit waren), hat man auch immer ein Blick auf das Veggie-Angebot. Die schön beschriebene Gemüseplatte mit Sauce Hollandaise klang ziemlich verlockend...
Entschieden haben wir uns schließlich für die Klassiker: Sauerbraten und Rinderroulade, jeweils mit Rotkraut und vogtländischen Klößen. Was jetzt folgt, ist die Ouverture für die finale Bewertung: Ich bestelle niemals in Gaststätten die Gerichte, bei denen ich der festen Überzeugung bin, dass meine eigenen Kochkünste dieser Gerichte vom Lokal NICHT übertroffen werden können. Dazu zählen auch mein Sauerbraten (sächsisch, nicht rheinisch) und meine Rouladen. Aber vogtländische Klöße wollte ich unbedingt mal probieren und das schien mir hier der passende, weil authentische Ort. Das wird bestellt und auch in kurzer Zeit serviert.
Gespannt greift der geübte Tester sächsischer Kochkunst, auch von einigen Enttäuschungen jahrelang erfahren, dann zum Besteck. Butterweich gleitet das Messer zunächst durch die erste Scheibe des Sauerbratens, der in der tief dunkelbraunen Soße badet. Das Fleisch wird durch den sämigen Soßensaft gezogen und landet dann auf meiner erwartungsfrohen Zunge.
Zwischen Zunge und Gaumen entfaltet sich dann das herrliche Aroma von saftigen Rindfleisch mit der perfekt säuerlichen-tiefgründigen Saucennote, die einen wirklich guten Sauerbraten ausmachen. Erste gehauchte Geschmacks-Orgasmen von „Oaar“ und „Hmm“ verlassen den menschlichen Genuß-Aufnahmebereich in entgegengesetzter Richtung. Ein Gedicht sonders gleichen.
Nun geht es an die Roulade – die Erwartungen sind nun hoch gesetzt. Auch hier wird die Schneidefunktion des Messers bei dem formschön auf dem Teller gelandeten Exemplar nicht benötigt, ein Löffel hätte es auch getan. 😉 Butterweich und dem Sauerbraten in nichts nachstehend - erstklassig. Oder kurz: Sensationell!
Besonders erwähnenswert auch das Rotkraut, was gegen seine Funktion als Bei-Lage rebellierte. Feministisch gesehen brauchte es keine Quote, dass der Rotschopf auf dem Teller hier nicht nur gleichwertig, sondern besonders aktiv den Gaumen kitzelte. Eine Hammer-Braut in der wohlschmeckenden, kulinarischen Partnerschaft auf Augenhöhe.
Die vogtländischen Klöße waren gut, aber nicht sonderlich anders, als ich sie bereits kannte. Sie waren wie Tinder: Das Mittel zum Zweck. Ohne die angebotenen vogtländischen Klöße hätte sich die kulinarische Traumhochzeit von Rind und Rot für uns nicht gefunden.
Es bleibt zu erwähnen, dass auch der Extrawunsch nach etwas mehr Sauerbratensoße von der Wirtin von den Augen abgelesen wurde. Die zwei Gerichte plus jeweils ein alkoholfreies Getränk haben 33 Euro plus Trinkgeld gekostet. Uns war es jeden Euro wert.
Auf Nachfrage: In der Küche kocht die Muddi. Und die Muddi kocht bekanntlich am Besten. Hier die beste Bestätigung und unser herzlicher Gruß in die Küche: Guddi, Muddi!
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Wertung: In der TOP 3 der Sauerbraten und Rinderouladen meines Lebens.